Gender Studies Preis
Um die Sichtbarkeit der Geschlechterforschung an der Universität Bonn zu fördern, vergibt das Zentrale Gleichstellungsbüro den Gender Studies Prize für herausragende Abschlussarbeiten und Dissertationen, die sich inhaltlich oder methodisch mit einer Fragestellung aus den Gender und/oder Queer Studies auseinandersetzen.
Bewerbungen für den Gender Studies Preis 2025 sind ab sofort bis zum 01. Februar 2025 möglich!

Gender Studies Preis 2025
Informationen zum Preis und zur Bewerbung finden Sie auf dieser Seite.
Über den Preis
Das Gleichstellungsbüro vergibt den Gender Studies Prize für herausragende Abschlussarbeiten und Dissertationen, die sich inhaltlich oder methodisch mit einer Fragestellung aus den Gender und/oder Queer Studies auseinandersetzen.
Um den Preis bewerben können sich Absolvent*innen und Promovierte aller Fakultäten und Fachdisziplinen und aller Abschlüsse der Universität.
Der Abschluss muss an der Universität Bonn erworben worden sein und sollte nicht länger als ein Jahr zurückliegen. Bewerben können sich demnach Absolvent*innen, die ihren Abschluss nach dem 01.02.2025 erworben haben.
Preiswürdige Arbeiten
Die Arbeit muss mindestens mit „gut“ (2.0) bewertet worden sein und sich theoretisch oder methodisch mit einer Fragestellung aus den Gender Studies auseinandersetzen. Die folgenden Bewertungskriterien finden für die Preisvergabe (besondere) Berücksichtigung:
- Zentraler Aspekt der Arbeit muss eine genderspezifische oder queere Fragestellung sein
- Originalität
- Relevanz des Themas für die Gender und/oder Queer Studies
- Methodische und theoretische Kompetenz (Anwendung und Problematisierung)
- Klare und stringente Argumentation
- Sprachliche Genauigkeit und Präzision in der Darstellung
Die Preisträger*innen werden von einer Auswahlkommission aus Wissenschaftler*innen der Universität Bonn ermittelt.
Bewerbung
Zur Bewerbung einzureichen sind eine digitale Version der Arbeit (PDF-Format), ein Abstract der Arbeit, ein Befürwortungsschreiben des*der Erstgutachter*in, das Abschlusszeugnis oder eine äquivalente Bescheinigung des Prüfungsamtes aus der die Benotung der Abschlussarbeit hervorgeht sowie ein tabellarischer Lebenslauf der Bewerber*innen.
Die vollständigen Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte per E-Mail an das Gleichstellungsbüro der Universität Bonn.
Nur Bewerbungen, die bis zum 01.02.2026 im Gleichstellungsbüro eingegangen sind, können für die Begutachtung berücksichtigt werden.
Preisvergabe
Der Preis ist mit 500 € für die beste Bachelor-Arbeit, für alle anderen Abschlüsse mit 700 € und für die beste Doktorarbeit mit 1000 € dotiert und wird aus Gleichstellungsmitteln finanziert. Es besteht kein Anspruch auf die Vergabe des Preises in allen Kategorien, sofern in einer Kategorie nur Arbeiten eingereicht wurden, die die o.g. Kriterien nicht erfüllen.
Die Vergabe des Preises an die Bewerber*innen aus dem Jahr 2025 wird voraussichtlich im Rahmen einer Feierlichkeit des Gleichstellungsbüros zu Beginn des SoSe 2026 stattfinden.
Es ist geplant, Abstracts der Arbeiten der Preisträger*innen unter Nennung des Namens auf den Internetseiten zu veröffentlichen.
Rückfragen zum Gender Studies Preis oder zur Bewerbung?
Die Preisträger*innen des Gender Studies Prize 2024
Am 23. Mai 2025 wurde der Gender Studies Prize für das Abschlussjahr 2024 verliehen!
Die Preisträger*innen des Gender Studies Prize '24 sind:
- Marlene Sieverdingbeck mit der Bachelorarbeit in Philosophie: "Kritische Perspektiven auf Consent Theorien – Eine intersektionale Analyse liberal- und radikalfeministischer Ansätze zu sexuellem Consent"
- Judith Reinders mit der Magisterarbeit in Katholischer Theologie: "Die bärtigen Heilige als inklusive Erlöserin? Forschung zu Legende und Kult um die heilige Kümmernis"

Abstracts der prämierten Arbeiten
Marlene Sieverdingbeck: Kritische Perspektiven auf Consent Theorien. Eine intersektionale Analyse liberal- und radikalfeministischer Ansätze zu Sexuellem Consent
Judith Reinders: Die bärtige Heilige als inklusive Erlöserin? Forschung zu Legende und Kult um die heilige Kümmernis
Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaftler*innen mit der Frage, inwiefern Consent als moralischer Maßstab für Sex geeignet ist. Die hierzu zentralen Ansätze der theoretischen Sexphilosophie werden dabei insbesondere im Liberal- oder Radikalfeminismus verortet; zwei klassischen feministischen Strömungen, von denen angenommen wird, sie seien grundlegend unvereinbar. In der vorliegenden Arbeit untersuche ich meine These, dass diese scheinbare Unvereinbarkeit in einer unzureichenden Auseinandersetzung mit sowohl den eigenen konzeptuellen Annahmen als auch denen der jeweils anderen Strömungen begründet ist.
Während liberalfeministische Konzeptionen der Wesenheit und Erkennbarkeit sexuellen Consents einen wichtigen Beitrag zum akademischen Diskurs liefern, vernachlässigen sie in ihren geschlechtsneutralen Analysen die patriarchalen Machtgefüge zwischen den Geschlechtern. Auch die klassischen, liberalfeministischen Validitätskriterien für Consent – Freiheit, Informiertheit und Kompetenz – erweisen sich als unzureichend. Radikalfeministische Perspektiven wiederum betonen die strukturelle Dimension von Macht und Geschlechterhierarchien, betrachten allerdings gerade deshalb den Consent-Begriff besonders kritisch. Zudem beleuchten radikalfeministische Analysen zumeist lediglich die Unterdrückungsmechanismen im Zusammenhang des zugeschriebenen Geschlechts. Indem eine Vielzahl marginalisierter Identitätsdimensionen und deren intersektionaler Charakter ausgeklammert wird, sind diese Theorieansätze entsprechend verkürzt und somit teils fehlerhaft.
In meiner Analyse zeige ich, dass Consent als moralischer Maßstab für sexuelle Interaktionen fungieren kann, auch wenn Sexualität im patriarchalen Kontext vollzogen wird. Ziel ist es, ein hybrides Konzept von sexuellem Consent zu formulieren, das die Stärken der liberal- und radikalfeministischen Ansätze unter Einbezug intersektionaler Aspekte vereint, und die theoretische Grundlage für einen nuancierten wissenschaftlichen Diskurs über Sex schafft. Diese theoretische Rekonzeptionierung von sexuellem Consent bietet eine neue Perspektive auf seine Notwendigkeit, Validität und Ontologie sowie seine Einbettung in den patriarchalen Kontext, und ermöglicht so eine intersektionale und feministische, philosophische Auseinandersetzung mit der Moralität von Sex.
In der Magistraarbeit „Die bärtige Heilige als inklusive Erlöserin? Forschung zu Legende und Kult um die heilige Kümmernis“ wird die heilige Kümmernis, eine legendäre Figur aus dem Spätmittelalter zu einer interdisziplinären Untersuchung betrachtet, in der vor allem die Bereiche Geschichte, Theologie und Geschlechterforschung miteinander verknüpft werden. Ziel der Untersuchung ist es, die vielschichtige Bedeutung der unterschiedlichen Aspekte der heiligen Kümmernis zu erforschen und zu analysieren. In der Untersuchung werden verschiedene Rezeptionsstränge der Kümmernis-Legende analysiert, die im Laufe der Geschichte entstanden sind. Die Auswirkungen der Legende auf den damaligen und heutigen Geschlechterdiskurs werden untersucht. Zusätzlich wird die Bedeutung der Heiligen für die kulturelle Identität sowie die Theologie von Christ*innen vom Mittelalter bis heute analysiert. Im theologisch-analytischen Hauptteil wird die Deutung der Symbolik der Heiligenlegende analysiert. Es wird die Funktion des Bartes für die heilige Kümmernis untersucht. Dabei werden die Bedeutung des Bartes im Laufe der Geschichte sowie die Verbindung von Bart und Jungfräulichkeit herausgestellt. Der Bart wird als Zeichen von Männlichkeit und Macht sowie als Symbol der Imitatio Dei analysiert. Dabei wird vor allem das Verständnis von Geschlechtlichkeit und die Durchbrechung der Kategorie durch den Bartwuchs der Heiligen aufgegriffen. In der Arbeit wird außerdem die Kategorie der Crossdressing-Legenden behandelt. Zusätzlich wird die Erzählung der heiligen Kümmernis in Zusammenhang mit der Theorie der Allgeschlechtlichkeit Christi gestellt. Die Interpretation und Aufnahme des Kultes der Heiligen im Laufe der Geschichte werden ebenfalls analysiert. Dazu werden Beispiele aus der zeitgenössischen Populärkultur genannt. Die Legende der Heiligen löst bis heute Debatten über Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten aus. Ihre Geschlechterfluidität zeugt von einer Komplexität und Vielschichtigkeit der Geschlechterbinaritäten in spätmittelalterlichen Wundergeschichten. Trotz einer klaren Geschlechterrollenverteilung, die durch vorherrschende Geschlechtermodelle bedingt war, eröffnet die Legende einen Raum für Neuinterpretation der mittelalterlichen Sichtweisen. Der Diskurs um die heilige Kümmernis spiegelt das Bedürfnis wider, zu androgynen Fürsprecher*innen und weiblichen Vorbildern im Glauben zu beten. Die Betitelung der Heiligen als „queer“ oder trans*zeugt von dem Wunsch nach Repräsentation und Darstellungen queerer und nichtbinärer Verkörperungen in der Geschichte. Diese Analogien gegenwärtiger, moderner Identitätskategorien und vormoderner Ausdrucksformen sind symptomatisch für die Wahrnehmung von Menschen, die sich nicht vollständig in die Gesellschaft oder eine Glaubensgemeinschaft inkludiert fühlen. Die Chance der Inszenierung eines Dialogs zwischen mittelalterlichen Perspektiven und zeitgenössischen Ideen über queere Personen besteht demnach weniger darin, die Geschichte nach Trans*personen abzusuchen, sondern vielmehr zu untersuchen, inwieweit der geschlechterinklusive Charakter der Heiligen für heutige Debatten und Denkprozesse genutzt werden kann. Als bärtige Frau am Kreuz vereint sie sowohl spätmittelalterliche Vorstellungen der Christusnachfolge als auch Aspekte weiblicher Religiosität und weiblichen Selbstverständnisses im Mittelalter. Aus heutiger Sicht ermöglicht die Heilige ganz neue Zugänge, die jedoch immer auch kritisch betrachtet werden müssen. Ihre Figur kann insofern als inklusiv bezeichnet werden, als dass sie zur Akzeptanz und Integration von Vielfalt, sowohl im Mittelalter als auch heute, beiträgt. Dies geschieht, indem sie die Exklusivität männlicher Christusnachfolge auflöst und das männliche Ideal dekonstruiert. Die Heilige kann somit eine inklusive Ermöglicherin sein, deren Figur trotz des Rückgangs ihrer Verehrung und Popularität eine Herausforderung darstellt – sowohl damals als auch heute und in Zukunft.
Die Preisträger*innen des Gender Studies Prize 2023

Am 26. April 2024 wurde der Gender Studies Prize für das Abschlussjahr 2023 vergeben.
Die Preisträger*innen des Gender Studies Prize '23 sind:
- Marie Wurscher mit der Bachelor-Thesis im Fach Latein- und Altamerikanistik: Kollektive Selbstorganisation als Strategie des Empowerments zur Aneignung von Wissen und Raum – Eine Untersuchung an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Aktivismus am Beispiel eines feministischen Kollektivs
- Leah Petersen mit der Master-Thesis im Fach Geografie: „There is no place like home“ – Die Dynamik zwischen der Geschlechtsidentität junger, nicht-binärer Personen & ihrem Wohnumfeld im Elternhaus
- Bianca Griech mit der Master-Thesis im Fach Kulturstudien zu Lateinamerika: Tanz als dekonstruktive Körperpraxis. Selbstverständnis und leibliche Erfahrungen von queeren Tangotänzer:innen in Buenos Aires
Abstracts der prämierten Arbeiten
Marie Wurscher: Kollektive Selbstorganisation als Strategie des Empowerments zur Aneignung von Wissen und Raum – Eine Untersuchung an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Aktivismus am Beispiel eines feministischen Kollektivs
Leah Petersen: „There is no place like home“ – Die Dynamik zwischen der Geschlechtsidentität junger, nicht-binärer Personen & ihrem Wohnumfeld im Elternhaus
Bianca Griech: Tanz als dekonstruktive Körperpraxis. Selbstverständnis und leibliche Erfahrungen von queeren Tangotänzer:innen in Buenos Aires
Wissen(schaft), Macht, Raum und (feministischer) Aktivismus: in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Was hat das mit gemeinschaftlicher Selbstorganisation und Empowerment zu tun? Am Beispiel des Kollektivs feminar untersuche ich das Potenzial (studentischer) Selbstorganisierung für Empowermentprozesse im universitären und urbanen Raum und arbeite die gruppenspezifischen Praktiken zur Aneignung von Wissen und Raum sowie Rückgriffe auf die Grundelemente von Empowermentprozessen – Bewusstsein, Befreiung, Heilung und Community – heraus.
Theoretischer Ausgangspunkt bildet ein machtkritisches Verständnis von Empowerment aus intersektionaler Perspektive nach M. Kechaja und A. Foitzik. Der Empowermentbegriff genauso wie der Wortkern power werden in ihrer Ambiguität im Spannungsfeld zwischen Diskriminierungserfahrungen und Widerstandspotenzialen herausgestellt. Ein zentrales Element ist die Betrachtung von Macht als ambivalentes, multidimensionales Kräfteverhältnis zwischen regulierender und repressiver (Gewalt)Praxis einerseits und produktiver, gemeinschaftsbildender Kraft andererseits, in dem Menschen stets in interessengeleiteten Beziehungen zueinander gesetzt werden. Dabei sind die Dimensionen Wissen und Raum, verstanden als soziale Praxen, zugleich Voraussetzung und Terrain für Aushandlungsprozesse um die Verteilung von Macht und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Verhältnissen. Als prägender Erfahrungsraum für die Mitstreiter*innen der erforschten Gruppe wird die Universität als ein Ort betrachtet, in dem sich die Dimensionen Macht, Raum und Wissen überschneiden und sich in dem darin entfaltenden Kräftefeld Prozesse der (sozialen) Differenzierung vollziehen.
Im Sinne einer feministisch aktivistischen Praxis der verantwortungsbewussten Wissensproduktion verwende ich das qualitativ-ethnographische Verfahren der dokumentarisch-reflektierenden Gesprächsanalyse (Dokumentarische Methode) in Kombination mit der Erhebungsmethode der offen gestalteten Gruppendiskussion, die ich, so wie den gesamten Forschungsprozess, an den Prinzipien der feministisch aktivistischen ethnographischen Forschung – kritische (Selbst-)Reflexion und diffraktive Bewegung – orientiere. Mit diesem Anspruch und im Sinne des machtkritischen Verständnisses von Empowerment als multidimensionaler Prozess, in dem die betroffenen Subjekte und ihre (Diskriminierungs-)Erfahrungen im Vordergrund stehen (müssen), wird den Mitstreiter*innen des untersuchten Kollektivs ein Raum geboten, in dem sie ihre Erfahrungen und alltäglichen Praktiken selbstbestimmt darstellen können. Dies ermöglicht die Untersuchung kollektiver Alltagspraktiken unter besonderer Berücksichtigung der Akteur*innenperspektive. Anhand der dekonstruktiven Praxis nach G. C. Spivak und F. Biskamp wird nach Machtkonfigurationen und den damit verbundenen diskursiven Praktiken in der Universität gefragt. In Bezug auf die Konzeptualisierung von Aktivismen als wissensgenerierende Praxis und Wissens(chafts)-Kritik nach R. Icaza, R. Vázquez und X. Leyva Solano wird das Kollektiv-spezifische Verständnis vom Verhältnis zwischen Aktivismus und Wissenschaft untersucht. Auf Grundlage von Hannah Arendts handlungstheoretischer Konzeptualisierung von Macht als „Ermöglichungsmacht“ wird die kollektive Selbstorganisation zwischen Student*innen als Praxis des Empowerment beschreibbar.
Im Verlauf der Diskussion dokumentiert sich ein ambivalentes Verhältnis des Kollektivs zur Universität, das sich zwischen unvermeidlichen Verbindungen und bewusster Abgrenzung entfaltet. Es zeigt sich eine gewisse Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Aktivismus, die jedoch nicht das Potenzial von Aktivismen als Praxis der kritischen Hinterfragung und Wissensgenerierung negiert. Sowohl auf inhaltlicher als auch struktureller Ebene der Diskursorganisation dokumentiert sich die hohe Relevanz des Elementes der Community für (Selbst-)Organisierungsprozesse. Dabei wird hervorgehoben, wie im Rahmen kollektiver Selbstorganisation Räume und Wissen (neu) verhandelt und geschaffen werden und dies das Gefühl von Handlungsfähigkeit auslöst. Sich Dinge selbst anzueignen, wird als „feministische Praxis“ der Selbstbehauptung beschrieben, die sich im Kollektiv entwickelt und kann somit als bejahende Antwort auf die Ausgangsfrage der Arbeit nach dem Potenzial kollektiver Selbstorganisation für Prozesse des Empowerment interpretiert werden.
Weltweit nimmt die Hasskriminalität gegen queere Menschen zu und besonders die Gewalt gegen
trans*-Personen ist hoch wie nie. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig, aber in einer Gesellschaft, die auf einem binären Geschlechtersystem basiert, stellt die bloße Existenz von trans*-Personen die gesellschaftliche Investitionen in die Konstruktion sowie die Aufrechterhaltung dieser Geschlechterbinarität in Frage.
Vor allem nicht-binäre Menschen sind aufgrund dieser Binarität in fast allen gesellschaftlichen Bereichen nahezu unsichtbar und erfahren daher tagtäglich Diskriminierung.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Dynamik zwischen der Geschlechtsidentität junger, nichtbinärer Personen und ihrem Wohnumfeld im Elternhaus zu beleuchten, denn dieses „private“ Wohnumfeld wurde bisher kaum aus einer trans* Perspektive untersucht, obwohl die Kernfamilie,
mit welcher sich vor allem junge trans* Personen das Wohnumfeld teilen, in unserer Gesellschaft die wichtigste Institution für die Reproduktion von Heteronormativität darstellt. Dabei sollen die zugrundeliegenden strukturellen Gegebenheiten der Wechselwirkung zwischen
Geschlechtsidentität und Wohnumfeld offengelegt sowie die Bedeutung dieser Dynamik für die Lebensrealitäten von nicht-binären Personen aufgezeigt werden.
Die Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen die Bedeutung der Wechselwirkung zwischen Geschlecht und Raum im Allgemeinen, aber vor allem die Relevanz des Elternhauses für die Konstruktion der Geschlechtsidentität. Es zeigt sich, dass gesellschaftliche Strukturen die sozialen Dynamiken im Wohnumfeld prägen und gleichzeitig diese vermeintlich „private“ Sphäre des Wohnumfelds selbst als maßgebliche (Re-)Produktionseinheit gesellschaftlicher Machtstrukturen agiert. Für ein tiefgreifendes Verständnis für die Erfahrungswerte, welche nichtbinäre
Personen in allen Bereichen unserer Gesellschaft machen, ist es daher unerlässlich sowohl die Dynamik zwischen dem sozialen Wohnumfeld im Elternhaus und der Geschlechtsidentität als auch die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Strukturen dieser Wechselwirkung ganzheitlich zu betrachten und zu verstehen.
In der kulturellen Praxis des Tango Argentino wird die Semantik einer Überschneidung hegemonialer Diskurse sichtbar, die insbesondere durch binäre Geschlechterrollen und heteronormative Performanz gekennzeichnet sind. Im Kontext der leidenschaftlichen und emotionalen Begegnungen des Tangos, die nicht selten von erotischen Spannungen durchzogen sind, entfaltet sich ein Diskurs, der die heteronormative Konstruktion der tanzenden Körper vermittelt. Ausgehend von der Betrachtung des Tangos als Bewegungspraxis, die in einem symbolisch-diskursiven Feld verortet ist, das den Konstitutionsrahmen für Körper und deren Bewegungen im Tanz schafft, untersucht die vorliegende Arbeit vor dem Hintergrund der Queer Theory und Ansätzen der feministischen Phänomenologie das Verhältnis zwischen dem Diskurs der Geschlechterdifferenz und der körperlich-leiblichen Erfahrung queerer Tangotänzer:innen. Im Zentrum steht dabei die Frage, auf welche Weise heteronormative Strukturen, die in der Tangokultur vorherrschen, im Sinne queerer Subversion dekonstruiert werden. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit liegt darin zu verstehen, wie sich queeres Selbstverständnis im Tango manifestiert, in welchen Elementen des Tangos sich Performativität und die diskursive Konstitution von Geschlechterrollen widerspiegeln und wie queere Tangotänzer:innen in Bezug darauf den Tanz auf der körperlichen Ebene erfahren. Methodisch basiert meine Arbeit auf einer dreimonatigen Feldforschung in Buenos Aires. Im Rahmen dieser Forschung wurden leitfadengestützte Interviews mit repräsentativen Akteur:innen der Queer-Tango-Szene geführt und teilnehmende Beobachtungen auf queeren Tanzveranstaltungen durchgeführt.
Als zentrale Erkenntnis lässt sich hervorheben, dass der Queer Tango einen geschützten Raum zum Experimentieren mit Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung schafft und gleichzeitig als Mittel zur Intervention hegemonialer Räume funktionieren kann. Während sich die Tänzer:innen in einem Spannungsfeld zwischen der Wertschätzung der Tangokultur und einer kritischen Haltung gegenüber den darin verankerten heteronormativen Codes bewegen, lassen sich Interventionen wie der Rollenwechsel und queere Praktiken wie Drag und Crossdressing als subversive Strategien erkennen, die eine Fluidität der Geschlechtergrenzen und die Entwicklung einer eigenen Ästhetik des Queer Tango hervorbringen. Auch wird deutlich, dass der Diskurs der Geschlechterdifferenz tief in die Körper der Tänzer:innen eingeschrieben ist, wobei die leibliche Erfahrung jedoch als eine Ressource für queere Subversion und Widerstand angesehen werden kann. Aus den Ergebnissen der Arbeit lässt sich übergreifend ableiten, dass eine Dekonstruktion des Tangos nur innerhalb bestehender Strukturen stattfinden kann. Dies geschieht nicht durch eine völlige Auflösung der Rollen, sondern durch einen spielerischen Umgang mit ihnen, insbesondere durch den Rollenwechsel, einen aktiven Dialog der tanzenden Körper und das kreative Zitieren vestimentärer Codes. Im Sinne einer dekonstruktiven Körperpraxis schafft Queer Tango einen kontrahegemonialen Raum, der die Instabilität der heteronormativen Geschlechterkonstellationen aufzeigen und neue Narrative über den Tango sichtbar machen kann.
Die Preisträger*innen des Gender Studies Prize 2022
Am 12. 05.2023 fand erneut im ehemaligen Fritz-Café im Universitätshauptgebäude die feierliche Verleihung des Gender Studies Prize statt.
Die Preisträger*innen für das Abschlussjahr 2022 sind:
- Luis Kumpfmüller mit seiner Bachelorarbeit in den Fächern Geschichtswissenschaft und Philosophie: "Der Männerbund, das Eigene und das Andere. Fremdzuschreibungen und Othering in Männerbunddiskursen um die Jahrhundertwende"
- Laila Riedmiller mit ihrer Masterarbeit in Politikwissenschaft: "Geschlechterkonzeptionen im rechten Verschwörungsdenken. Potentiale und Grenzen einer geschlechtsspezifischen Analyse"
- Michaela Doutch mit ihrer Dissertation in Südostasienwissenschaft: "Women Workers in the Garment Factories of Cambodia. A Feminist Labour Geography of Global (Re)production Networks"

Abstracts der prämierten Arbeiten
Luis Kumpfmüller
Der Männerbund, das Eigene und das Andere. Fremdzuschreibungen und Othering in Männerbunddiskursen um die Jahrhundertwende
In dieser Arbeit argumentiere ich dafür, ein weitverbreitetes Narrativ der geschichts- und literaturwissenschaftlichen Forschung stärker zu hinterfragen. Männerbundtheorien waren in der Vergangenheit immer wieder Untersuchungsgegenstand der Gender Studies. Sie eignen sich in besonderer Weise, weil sich an Ihnen männliche Identitätskonstruktionen sowie geschlechtsspezifische Stereotype und Machtverhältnisse ablesen lassen. In der Historiografie der Männerbundtheorien des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden diese oft als Ausdruck einer bedrohten Männlichkeit gedeutet: „der Mann“ bekämpft „die Frau“, weil er sich vor ihr fürchtet. Mit Rückgriff auf das analytische Konzept des Othering und einer interdisziplinären Diskursanalyse zentraler Texte von Heinrich Schurtz und Hans Blüher zeige ich dagegen, dass die Bedrohlichkeit von Frauen systematisch behauptet wird, um die soziale Ausgrenzung von Juden und Frauen zu legitimieren und gleichzeitig die eigene gesellschaftliche Position als Mann zu stärken. Ein abschließender Vergleich zweier Texte des Soziologen Georg Simmel und des politischen Philosophen Carl Schmitt offenbart darüber hinaus grundsätzlich mögliche Umgänge mit dem „Anderen“: Während das Andere bei Schmitt bedrohlich erscheint und ein Kampf mit ihm sogar forciert wird, um die eigene Identität zu formen und zu bewahren, betont Simmel mit Unbefangenheit und Objektivität positive Aspekte des „Anderen“.
Laila Riedmiller
Geschlechterkonzeptionen im rechten Verschwörungsdenken. Potentiale und Grenzen einer geschlechtsspezifischen Analyse
Die vorliegende Arbeit analysiert die „neurechte“ Agitation gegen einen angeblichen ‚Großen Austausch‘ hinsichtlich der darin formulierten Geschlechterbilder. Dazu werden Textveröffentlichungen, insbesondere Zeitschriftenartikel und Buchveröffentlichungen aus dem Umfeld des „neurechten“ Instituts für Staatspolitik (IfS) ausgewertet. Im Zentrum steht die Frage, welche ideologische und strategische Rolle Geschlechterkonzeptionen in dem Verschwörungsnarrativ spielen und wie sie begründet werden.
Die Arbeit verdeutlicht mehrere gravierende Leerstellen in der Erforschung dieses Phänomens. So werden genderspezifische Fragen innerhalb der Politischen Theorie und Ideengeschichte sowie der Rechtsextremismusforschung weiterhin marginalisiert und den Gender Studies überlassen, denen jedoch teilweise die politiktheoretische und ideengeschichtliche Fundierung fehlt, um die strategische und ideologische Funktion von Geschlechternarrativen im „neurechten“ Verschwörungskontext zu greifen. Da sich die bisherige Erforschung der „Neuen Rechten“ im Geschlechterkontext auf die Analyse öffentlichkeitswirksamer Aktionen fokussiert und netzwerkinterne Publikationen oft ausblendet, werden strategische Überlegungen nicht immer als solche erkannt. Zudem fokussiert sich die Forschung gegenwärtig auf einzelne Gruppen innerhalb der „Neuen Rechten“, wodurch die ideologische Heterogenität des Netzwerks häufig nicht erfasst wird.
Die vorliegende Arbeit liefert vier zentrale Erkenntnisse, mit denen sie auch zur Schließung dieser Leerstellen beitragen kann. So wird deutlich, dass binäre Geschlechtervorstellungen für das Narrativ eines „Großen Austauschs“ von zentraler Bedeutung sind, Identifikationsangebote schaffen, Handlungsanweisungen begründen, rassistisch und antisemitisch unterfüttert und strategisch aktualisiert werden. Die ideengeschichtliche Kontextualisierung zeigt, dass der „neurechte“ Antifeminismus auf einen intellektuellen Kanon zurückgreifen kann. Deutlich wird auch, dass die heterogenen Geschlechtervorstellungen kein Resultat einer intellektuell uninfor-mierten Rechten sind, sondern das Ergebnis einer bewussten politischen Strategie und der völkisch-faschistischen Oszillation zwischen antimodernen und gegenmodernen Ideologieelemen-ten sind. Für die weitere Forschung ergibt sich somit die Notwendigkeit einer verstärkten interdisziplinären Kooperation. Dabei verweist die zunehmende gesamtgesellschaftlichen Mobilisierung gegen Feminismus, queere Identitäten und Gender Studies auf die Dringlichkeit derartiger Forschungsvorhaben.
Michaela Doutch
Women Workers in the Garment Factories of Cambodia. A Feminist Labour Geography of Global (Re)production Networks
For more than two decades, there have been discussions about how to sustainably improve the situation of garment workers in so-called low-wage countries in the Global South. The dominant answers to date are top-down approaches from the Global North, which attempt to determine and regulate from above the working conditions of mainly young women from rural areas. But what if we instead start with these garment workers and their agency on the ground? What if we start with these women and stay with them to explore their situations, their challenges and problems, and what new or alternative opportunities there might be for a transnational practice of solidarity from below in the global garment production network?
In my PhD research in Southeast Asian Studies, I started with (in)formal and (non-)unionized women workers in garment factories in Cambodia and stayed with them to explore how women workers are spatially embedded in the global garment production network, how they (re)act as subjects of (re)production in their everyday spaces, and how they can network and organize from below on a transnational scale to fight for their real needs and demands on the ground.
Theoretically, I developed a feminist labour geography perspective on global (re)production networks that systematically incorporates the gendered side of social reproduction processes into the analysis of labour and labour agency in globalized capitalist industries from the outset. I conceptualized labour not only as a significant spatial actor in global production processes, but also as a subject of (re)production that fights for more than “just” better working conditions and higher wages.
Methodologically, I followed a (facilitated) feminist (participatory) action research approach that places women workers in garment factories in Cambodia at the heart of the debate as key actors of change. Over six years, I worked with women workers in Cambodia to explore their life stories and everyday realities, their problems and challenges, and their possibilities for shaping and using spaces at local, national, and transnational scales. The transnational approach of linking workers with other workers along the chain – right at the next node of the production chain – to jointly develop transformative practices of solidarity from the bottom up has become a particular focus of interest and was pursued in practice together with workers in the garment sector of Cambodia. Bringing together female factory workers with male logistic workers (namely truck drivers) along the garment value chain represents “the action” of the research.
Central findings of this research were that, firstly, labour exists in a far more complex capitalist and therefore also spatial reality of highly interwoven places and spaces of (re)production. Women workers are thus not “simply” fighting for better working conditions and higher wages, but for their own reproduction and that of their families. Central issues are care work, education, health and pensions. Secondly, labour exists in a highly gendered landscape of (re)production processes, which has implications for the possibilities of labour (re)actions. Therefore, labour agency must be conceptualized as gendered, multiple-scalar processes in which social reproduction is not only a burden but also a potential. Thirdly, linking labour along the production chain via the “next-node approach” can become a methodological tool for (self-)networking and organizing labour in a more systematic, modular, and horizontally embedded way that enables workers to develop transformative practices from below, that build on the real needs and demands of workers – especially (in)formal and (non-)unionized women workers – on the ground and create opportunities not only to liberate labour from exploitative processes, but also to empower women and break up male-dominated formal labour processes.
Die Preisträger*innen des Gender Studies Prize 2021

Bei einer feierlichen Preisvergabe im ehemaligen Fritz-Café im Hauptgebäude der Universität Bonn wurde am 29.04.2022 der Gender Studies Prize an folgende drei Bachelor-Absolvent*innen der Uni Bonn vergeben:
- Joline Kretschmer mit ihrer Abschlussarbeit im Fach Philosophie zum Thema „Gender as deeply diverse. How to dissolve the gender category dilemma.“
- Benedikt Johannes Gnosa mit der Arbeit „Vestimentärer Geschlechterwechsel – Die verkleidete Herzogin Alheyt und die Grenzen der Männlichkeit im Herzog Herpin“ im Fach Germanistik.
- Marina Krambrich mit der Arbeit „Das Spiel der Philosophie. Eine empirische Untersuchung geschlechtsspezifischer Narrative von der akademischen Philosophie unter Studierenden in Bonn“ – ebenfalls im Fach Philosophie.
Abstracts der prämierten Arbeiten
Joline Kretschmer
Gender as deeply diverse. How to dissolve the gender category dilemma
Was „ist“ eine Frau (ein Mann; eine nicht-binäre Person, etc.)? Wenn man versucht, diese Frage zu beantworten, gerät man schnell in ein Dilemma. Einerseits wollen feministische Philosophinnen davon absehen, überhaupt Geschlechterkategorien zu formulieren, um nicht in einen Gendersolipsismus zu verfallen. Darunter versteht man die Tendenz, eine kleine Gruppe privilegierter Personen als repräsentativ für die gesamte Kategorie zu betrachten und dabei die weniger privilegierten Personen auszuschließen. Andererseits bedarf es in der feministischen Philosophie geschlechtsspezifischer Kategorien, um die damit verbundenen Unterdrückungsstrukturen thematisieren zu können. Im Laufe meiner Arbeit werde ich dieses Dilemma genauer untersuchen und seine Ursprünge sowie einige (Auf-)Lösungsversuche verschiedener Philosophinnen erörtern (darunter u.a. Elisabeth Spelman, Catharine MacKinnon, Naomi Zack, Talia Mai Bettcher, Sally Haslanger und Katharine Jenkins). Mein Ziel besteht hierbei jedoch nicht darin, eine bestimmten Ansatz als den richtige hervorzuheben, sondern vielmehr darin, aufzuzeigen, welche methodischen Ansätze generell empfehlenswert sind, bei dem Versuch, Geschlechterkategorien zu definieren, ohne in das oben beschriebene Dilemma zu geraten.
Benedikt Johannes Gnosa
Vestimentärer Geschlechterwechsel – Die verkleidete Herzogin Alheyt und die Grenzen der Männlichkeit im Herzog Herpin
Die binäre Konstruktion von Geschlechterrollen adliger Figuren in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters lässt sich in besonderem Maße anhand von Verkleidungsszenen analysieren, in denen sich Figuren als das jeweils andere Geschlecht ausgeben. Das
sogenannte Cross Dressing verlangt dabei neben der Verkleidung auch die Übernahme der Verhaltensweise des anderen Geschlechts. Im Konzeptbegriff der ‚Travestie‘ werden die germanistisch-mediävistischen Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit den
Konzepten der Gender-Theorie und -Studies mit den Fragen nach der Wechselwirkung von Kleidung und Identität zusammengeführt. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Figur der Herzogin Alheyt aus dem in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
entstandenen Herzog Herpin. An ihr wird aufgrund der umfassenden Beschreibung ihres Geschlechterwechsels deutlich vor Augen geführt, wie eine solche ‚Travestie‘ erzählerisch umgesetzt werden kann. Nachdem sie ungewollt von ihrem Mann getrennt wird, verbringt
sie weite Teile der Handlung in männlicher Verkleidung und fungiert innerhalb der Erzählung in ihrer ‚männlichen‘ Idealität insbesondere als Spiegelfläche für ein maskulines Ritterideal. In Frauen- sowie insbesondere Männergestalt dient ihr Verhalten gerade nicht
dazu, neue Freiräume für das Agieren adliger Frauen zu erschließen, sondern wirft einen deutlichen Schatten auf die Unzulänglichkeiten der männlichen Figuren des Textes. Das Erzählen der ‚Travestie‘ einer weiblichen Figur wird explizit dazu genutzt, die Grenzen der
Männlichkeit auszuloten und ihr Ideal zu definieren.
Marina Krambrich
Das Spiel der Philosophie. Eine empirische Untersuchung geschlechtsspezifischer Narrative von der akademischen Philosophie unter Studierenden in Bonn
Die vorliegende Arbeit thematisiert geschlechtsspezifische Disparitäten in den Narrativen von Studierenden im Verständnis der akademischen Philosophie in Bonn. Diese sollen mögliche
Erklärungsansätze für die Unterrepräsentation von weiblich gelesenen Personen in der akademischen
Philosophie liefern. Ziel ist es, herauszukristallisieren, wie sich während des Studiums Verhaltensweisen, Strukturen und Narrative unter Studierenden etablieren, wie sich
diese geschlechtsspezifisch unterscheiden und wie sich daraus ein Ungleichgewicht im Bestreiten des Studiums entwickelt. Zur Beantwortung dieser Frage werden sieben qualitativ von mir geführte Interviews mit Studierenden herangezogen, die mittels der empirischen Sozialforschung ausgewertet werden. Die Konzepte des Habitus und des symbolischen Kapitals nach Pierre Bourdieu, sowie das der epistemischen Gewalt aus der feministischen Theorie dienen dabei der theoretischen Einordnung. Die empirische Arbeit zeigt auf, wie das Spiel der Philosophie der interviewten Studierenden unterschiedliche Ausgänge zwischen den gelesenen Geschlechtern findet: das zentrale Motiv,
welches ich in den Narrativen der Frauen erkenne, ist das Streben nach Sichtbarkeit, Anerkennung, Erfolg und einer beruflichen Perspektive. Das steht im Kontrast zu den Männern, die sich diesem Motiv nicht bedienen (müssen). Ich sehe dies als relevant für das zentrale Problem der Unterrepräsentation von weiblich gelesenen Personen in der deutschen akademischen Philosophie an und es zeigt auf, wie im Kontext des Studiums und in Seminarräumen für mehr Gleichberechtigung zwischen verschiedenen Geschlechtern gesorgt werden muss.